Münchner Volkstheater
Das Haus ist ein Volks-Theater im wahrsten Sinn: Denn neben Schauspielern, Regisseuren und Dramaturgen vom Bayerischen Staatsschauspiel, die ein Bedürfnis nach räumlicher und künstlerischer Ausweitung ihrer Arbeit an und mit der bayerisch-österreichischen Volkstheatertradition hatten, war vor allem das Publikum maßgeblich am Gelingen dieses Gründungsprojektes beteiligt. Ein Großteil der Gesamtumbausumme von 3,9 Millionen Mark, die zur Sanierung und Umgestaltung der Mitte der 50er Jahre erbauten Mehrzweckhalle im Haus des Sports in der Brienner Straße benötigt wurden, kam durch öffentliche Spenden in die Umbaukassen. Zum Beispiel ermöglichten viele großzügige Münchner Bürger, von denen jeder 350 Mark für einen Sitz spendete, die neue Bestuhlung. Dafür wurden sie mit ihrem Namen auf den neuen Sitzen verewigt. Noch heute ist der Verein der Freunde des Münchner Volkstheaters ein wichtiger Förderer des Volkstheaters.
So konnte die Stadt München 1983 einer Reihe von bekannten Schauspielern und Theatermachern, die von jedermann eng mit Bayern in Verbindung gebracht wurden, die erhoffte Bühne für ihre Theaterarbeit schaffen. Besonders in den ersten 5 Jahren unter der Intendanz von Jörg-Dieter Haas sorgte vornehmlich die altbekannte Volksschauspielerriege mit Schauspielern wie Gustl Bayrhammer, Beppo Brem, Helmut Fischer, Willy Harlander, Karl Obermayr, Veronika Fitz, Enzi Fuchs, Rita Russek und Maria Singer für die Anziehungskraft des Hauses.
Über viele Jahre prägte Ruth Drexel das Volkstheater maßgeblich. Mit ihrer Inszenierung von Karl Schönherrs Glaube und Heimat mit Hans Brenner in der Hauptrolle wurde 1983 das Haus eröffnet. 5 Jahre später, 1988 übernahm sie selbst federführend die Geschicke des Hauses, das sie - mit Ausnahme einer kurzen Interimsintendanz - bis zum Sommer 2002 leitete. Neben ihren eigenen Auftritten und Inszenierungen haben über viele Jahre vor allem ihr Lebensgefährte Hans Brenner, Nikolaus Paryla, Helen Vita und Christine Ostermayer als große Zuschauermagnete das Volkstheater geprägt.
Die Spielpläne des Hauses legten ihren Schwerpunkt auf die klassische Volkstheaterliteratur. Sie erhielten ihre zeitgenössische Anbindung durch die teilweise enge Zusammenarbeit mit den prägenden Autoren des kritischen Volksstücks Peter Turrini, Martin Sperr, Felix Mitterer und Franz Xaver Kroetz, die am Haus teilweise auch spielten oder inszenierten.
Im Oktober 2002 begann mit dem Antritt von Christian Stückl eine neue Ära am Volkstheater. Mit einem neuen und jungen Ensemble schuf er ein eigenständiges Profil und öffnete das Haus der Arbeit mit jungen Regisseuren, die neben Christian Stückl am Haus inszenieren. Das seit 2005 jährlich stattfindende Festival "Radikal jung" sucht mit großem Erfolg eine Standortbestimmung junger Regie, indem es herausragende Inszenierungen junger Theatermacher aus dem ganzen deutschen Sprachraum in München präsentiert. Wie schon in früheren Jahren ergänzt sich der Abendspielplan durch Gastspiele und Konzerte, erweitert durch Lesungen und Konzerte im Foyer. So gelang es Christian Stückl, neue Publikumsschichten zu erreichen und gleichzeitig die alten zu halten.
Nach mehreren Untersuchungen und Gutachten stellte sich 2012 heraus, dass eine Kernsanierung am Standort in der Brienner Straße nötig sein würde. Das bisherige Haus platzte aus allen Nähten. Es gab zu wenig Platz für Lager, Werkstätten und Probenräume. Das Volkstheater hatte die Bühnenbilder außerhalb der Stadt in über 40 Containern ausgelagert und Probenbühnen angemietet. Zudem war das Theater nicht barrierefrei und es fehlten ein Schnürboden, eine Tiefgarage und auch der Brandschutz müsste verbessert werden. Der Münchner Stadtrat beschloss daher Mitte Dezember 2017 den Neubau des Volkstheaters mit einer Gegenstimme.
Nach einem Wettbewerb fiel die Wahl auf das Stuttgarter Architekturbüro LRO Lederer Ragnarsdóttier Oei und die Firma Georg Reisch aus dem schwäbischen Bad Saulgau als Generalübernehmer. In einem sogenannten Generalübernehmerverfahren verpflichtete sich die Firma Reisch vertraglich, den Neubau zum festgelegten Zeitpunkt und vereinbarten Fixpreis schlüsselfertig zu übergeben. Bis 2021 entstand das neue Volkstheater für eine Summe von 130,7 Millionen Euro auf knapp 18.000 Quadratmetern auf dem Viehhofgelände. Am 15. Oktober 2021 eröffnete Christian Stückl mit seiner Inszenierung von "Edward II." den neuen Standort des Münchner Volkstheaters.